Heilstätte der Reichsbahn-Arbeiterpensionskasse auf dem Moltkefels in Nieder-Schreiberhau

Führende Ärzte der Reichsbahn dachten nach dem Tuberkulose–Kongress 1899 in Berlin an den Bau von Lungenheilstätten. Die Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft entschied sich für den Bau von zwei Heilstätten, eine im Westen bei Melsungen im Stadtwald, die andere im Osten bei Nieder-Schreiberhau (Szklarska Poreba) in Niederschlesien, heute in Polen, die nach einem benachbarten Bergrücken „Moltkefels“ benannt wurde.

Tuberkulose wird ausgelöst durch mangelhafte Hygiene, Mangelernährung und zunehmender Bevölkerungsverdichtung in den Mietskasernen der großen Städte. Diese Krankheit konnte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rapide ausbreiten. U.a. durch Tröpfcheninfektion sprang das Bakterium von Mensch zu Mensch und siedelte sich in der Lunge an. Auch an roher Milch konnte man sich anstecken. Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust waren die Folge. Man hatte die ‚Schwindsucht‘, die den Körper auszehrte und die Arbeitsfähigkeit stark minderte. Als Gegenmittel wurden damals Aufenthalte an der frischen Luft (Licht-Therapie) und gute Ernährung empfohlen. Die Heilstätten-Bewegung entstand ab 1860.

Die Pläne der Königlichen Bauräte Schmieden und Boethke von 1901 sahen identische Bauten vor. Im März 1902 lagen die Baugenehmigungen vor und im Herbst des gleichen Jahres waren die Hauptgebäude schon unter Dach. Im Frühjahr 1904 wurden die Heilstätten eröffnet. In Schreiberhau wurde Dr. Muttray Chefarzt, in Melsungen Dr. Roepke.

Dr. Roepke erforschte neue Behandlungsmethoden und publizierte zahlreiche Fachbeiträge zur Vorbeugung und Heilung der Tuberkulose.

Mit Unterbrechung durch die Kriegsjahre, als die Heilstätten als Lazarette dienten, waren die Einrichtungen gut belegt. Mitte der 50er Jahre standen in Deutschland noch 50.000 Betten zur Verfügung.

Mit neu entwickelten Medikamenten konnte die ‚Volkskrankheit‘ überwunden werden und die Lungen-Heilstätten wurden für andere Zwecke genutzt. In Melsungen richtete die Bundesbahn ein Herz-Kreislauf Zentrum ein. 1977 erwarb die B. Braun AG die Gebäude im Stadtwald.

Heute beherbergt die polnische Heilstätte Moltkefels das 2001 gegründete ‚Isergebirgszentrum für Pneumologie und Chemotherapie‘ („Izerskie Centrum Pulmonologii i Chemioterapii“), das sich weiterhin allen Erkrankungen der Lunge widmet.

Die Heilstätte wurde in den letzten Jahren mit europäischen Mitteln renoviert und stellt sich heute äußerlich wie im Erbauungsjahr dar.

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Heilstätte in Szklarska Poreba im Sommer 2016
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Heilstätte im Stadtwald Melsungen auf einer Ansichtskarte
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Nieder-Schreiberhau - Die Liegehalle
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Nieder-Schreiberhau - Eingang